Auf eigenen Füssen

Die Temperaturen sinken, das Farbenspiel der Natur erreicht seinen Höhepunkt – die beste Zeit zum Wandern. Was Sie auf Ihren Touren beachten sollten.

 

Was ich nicht gelernt habe, habe ich erwandert. Soll einst Johann Wolfgang von Goethe geschrieben haben. Jeder Dritte Deutsche geht mindestens einmal pro Monat Wandern. Rentner-Sport? Dieses Image hat das Wandern abgeschüttelt, viele junge Menschen zieht es in die Natur. Gerade jetzt im Spätsommer, kurz vor dem Herbstanfang, sind die Temperaturen und die Bedingungen für Touren ideal.

Mit dem Wandern zu beginnen, ist nicht schwierig. Es gibt allerdings einige Grundlagen, die Anfänger unbedingt beachten sollten. WELT beantwortet die wichtigsten Fragen.

Warum ist Wandern so gesund?

Vor allem kann es enorm Spaß machen, sich draußen zu bewegen. Dadurch, dass das Tempo geringer ist als zum Beispiel beim Joggen, erleben wir unsere Umgebung intensiver. „Beim Wandern ist die Natur für uns Menschen besonders zu spüren. Zudem kann es die Abwehrkräfte unseres Körpers stärken“, sagt Dr. Wolfgang Wabel. Er ist Geschäftsbereichsleiter Bergsport beim Deutschen Alpenverein. Wandern hat einen positiven Einfluss auf das Immunsystem und den Stoffwechsel. Im Vergleich zum Joggen dauert es zwar länger, über das Wandern fit zu werden. Dafür ist die Verletzungsgefahr geringer. Ausdauerndes Gehen stärkt den Kreislauf, das Herz und viele Muskeln, das Risiko hinsichtlich eines Infarktes, Krebs und Diabetes kann abnehmen.

Die Deutsche Herzstiftung zitiert den Kardiologen Dr. med. Frank Sonntag aus ihrem Wissenschaftlichen Beirat: „Forschungsergebnisse legen nahe, dass sich auch mit Wandern überaus günstige Trainingseffekte erzielen lassen. Möglich sind zum Beispiel positive Effekte auf die Blutgefäßinnenwand, eine vermehrte Bildung von zusätzlichen Blutgefäßen und nicht zuletzt eine Stärkung der körpereigenen Abwehrkräfte.“

Wandern hat zudem positive Auswirkungen auf die Psyche, es werden Stresshormone abgebaut und das Glückshormon Serotonin und der „Glücksbotenstoff“ Dopamin ausgeschüttet. Außerdem verbrennen wir beim Wandern ordentlich Kalorien: Etwa 350 pro Stunde bei einer leichten Wanderung, bei einer Wanderung im Gebirge steigt der Verbrauch auf bis zu 550 Kalorien. Der Energieumsatz kann also sogar ähnlich sein wie beim Joggen.

Kann jeder mit dem Wandern beginnen?

„An sich gibt es keine Hürden für Wander-Anfänger. Grundsätzlich kann jeder wandern, der mobil ist“, sagt Experte Wabel. „Vor längeren Wanderungen empfiehlt sich ein Gesundheitscheck beim Arzt, gerade für ältere Menschen oder Menschen mit Risikofaktoren.“ Wie bei jedem Sport gilt während der Wanderung: Auf den Körper hören! Wer Schmerzen hat, sollte langsamer gehen, die geplante Route abkürzen oder die Wanderung abbrechen.

Kann ich direkt mit einer Bergwanderung anfangen?

„Es empfiehlt sich nicht, am ersten Tag des Urlaubs gleich mit dem höchsten Gipfel der Region anzufangen oder sich als Anfänger zu anspruchsvolle Routen auszusuchen“, so Wabel. „Wandern soll ja entspannen – und kein Stress sein. Der Sport ist extrem variantenreich, man sollte sich lieber nach und nach steigern.“

Das Bergwandern ist lediglich eine Variante des Wanderns. Auch außerhalb der Alpen gebe es genug Möglichkeiten. „Von Deich bis Zugspitze, wandern ist quasi überall möglich“, betont der Wander-Experte. Mittelgebirge gäbe es schließlich beinahe überall in Deutschland. „Es finden sich an nahezu jedem Ort schöne Wege durch Wälder, Wiesen oder Berge.“

Für Beginner empfehlen sich kürzere Strecken auf ausgeschilderten Wanderwegen. Achtung: Die Angaben auf Schildern und Informations-Tafeln geben meist die reine Laufzeit an, die notwendigen Pausen sind nicht eingerechnet. Anfänger sollten damit rechnen, dass sie auf recht ebenem Boden pro Stunde nicht mehr als drei bis vier Kilometer zurücklegen, auf steileren Wanderungen nicht mehr als zwei Kilometer. Für Fortgeschrittene gibt es zahlreiche Varianten des Wanderns, zum Beispiel Speed Hiking (schnelles Wandern mit Stöcken) oder Geocaching, eine Art GPS-Schnitzeljagd.

Wie trainiere ich am besten?

Wabel empfiehlt, sich generell eine Stunde oder zwei Stunden zu Fuß zu bewegen. „Das kann auch im Flachland oder in der Stadt sein“, sagt er. „Wer untrainiert ist, kann als Art Training zunächst auch einfach auf dem Arbeitsweg ein paar Stationen früher aus Bus oder Bahn steigen und somit längere Fußwege in den Alltag einbauen.“ Generell sei es hilfreich, sich regelmäßig mehr zu Fuß zu bewegen. „Radfahren und Schwimmen sind tolle Sportarten, die für eine gute Kondition beim Wandern sorgen. Zudem bieten zahlreiche Sportvereine Gymnastik-Kurse an, die zur Vorbereitung auf eine Wanderung sehr helfen können.“

Auf was muss ich bei der Planung achten?

Sofern ein Gewitter oder heftiger Sturm angekündigt ist, gilt es zu überlegen, die Wanderung zu verschieben.

Welche Ausrüstung brauche ich?

Hier gilt: Weniger ist mehr. Die Auswahl in Outdoor-Geschäften und Online-Shops ist riesig. „Doch so viel braucht ein Anfänger gar nicht“, so Wabel. Die Kleidung sollte die Bewegungsfreiheit nicht einschränken und bequem sein.

Bergschuhe: „Wenn es nicht gerade ganz hoch hinaus gehen soll, müssen es keine Expeditionsschuhe sein.“ Es sollten einfach leichte, feste Bergschuhe sein, die Nässe abhalten. „Wichtig: Laufen Sie die Schuhe vorher zu Hause etwas ein, das schützt vor Blasen und sorgt für ein sicheres Gefühl im Schuh“, rät Wabel. Wer wackelig im Knöchel ist, sollte Schuhe mit Schaft tragen. Während Pausen ruhig mal die Schuhe ausziehen, um die Füße trocknen und kühlen zu lassen. Auch spezielle Wandersocken können unter Umständen Blasen vorbeugen.

Rucksack: Ein leichter Freizeit-Rucksack reicht für Anfänger völlig aus. Der Kauf eines speziellen Wander-Rucksacks ist für sie meist nicht nötig, den „normalen“ Rucksack hat beinahe jeder zuhause.

Bekleidung: Eine Regenjacke ist vonnöten – im Idealfall eine leichte, die sich gut falten bzw. zusammenrollen und im Rucksack verstauen lässt. Auch ein Pullover oder eine wärmende Jacke sind unabdingar. „Gerade am frühen Morgen und am Nachmittag kann es jetzt im Herbst kühl sein. Die Tage werden wieder kürzer, da sollte man etwas Wärmendes dabeihaben“, so Wabel.

Verpflegung: „Für unterwegs bieten sich Wasser, Obst und Müsliriegel an. Auf den Hütten kann man natürlich auch etwas kaufen, doch ein bisschen was sollte man idealerweise immer im Rucksack haben.“ Auch wenn Wasser recht schwer ist, sollte man lieber zu viel als zu wenig mit sich tragen. Als gängige Empfehlung gelten zwei Liter pro Person für eine Halbtagestour und drei bis vier Liter für eine Ganztagestour. Mit einer Wasserflasche mit Filter kann an Quellen und Bächen Wasser nachgefüllt werden.

Smartphone: Wenngleich Wander-Touren für viele wertvolle „Offline-Zeit“ sind – mindestens ein Smartphone pro Wandergruppe sollte man dabeihaben. Das empfiehlt auch die Bergwacht. Im Notfall kann diese mit dem Smartphone verständigt werden, zudem können Rettungskräfte ggf. über GPS orten. „Die Netzabdeckung ist inzwischen auch in den Bergen sehr gut“, erklärt Wabel.

Karten: Wichtig: Die Karten sollten nicht älter als drei Jahre sein. Der Deutsche Alpenverein empfiehlt topografische Karten, auf denen die Wanderwege besonders hervorgehoben und Gipfel, Einkehrmöglichkeiten und Sehenswürdigkeiten angegeben sind.

Erste-Hilfe-Set: Dies sollte vor allem Pflaster und Verbandsmaterial beinhalten, im Idealfall noch eine Rettungsdecke.

Wann ist die beste Jahreszeit?

Wabel: „Wandern ist an sich das ganze Jahr über möglich, in den Bergen zwischen Spätherbst und Frühjahr eingeschränkt. Der Herbst ist zum Wandern besonders schön: Es ist nicht mehr zu heiß, die Blätter sind wunderbar gefärbt und das Licht sehr schön.“

Welche Apps helfen?

Besonders praktisch sind Apps mit Offline-Funktion. So findet man sich auch dort zurecht, wo kein Netz vorhanden ist. Die Auswahl in den App-Stores ist riesig. Es empfiehlt sich, vorher klarzumachen, was man von dem App konkret erwartet bzw. wozu man es braucht (Nur Karten? Eigene Routen aufzeichnen?) und die Beschreibungen vor dem Download konzentriert zu lesen. Kostenlos ist zum Beispiel die App des Alpenvereins, Alpenvereinaktiv, mit dem sich weltweit Touren planen lassen. Ebenfalls sehr beliebt sind Komoot, Outdooractive und The Walk (alle kostenlos) sowie ADAC-Wanderführer 2019 (4,99 Euro), PeakFinder (5,49 Euro) und Maps 3D Pro (4,99 Euro).

Muss ich mich gegen Zecken impfen?

Das kommt auf die Region an, in der man wandern will. „Wer oft und lange in gefährdeten Gebieten wandert, für den ist eine Impfung empfehlenswert. Alle anderen sollten sich über eine mögliche Zeckengefahr in dem jeweiligen Gebiet informieren und die Empfehlungen der Gesundheitsämter beachten“, so Wabel.

Zum Schutz gegen Zeckenbissen empfehlen sich das Tragen langer und in die Socken gesteckten Hosen und Anti-Zecken-Sprays. Wer sich impfen lassen will sollte dies rechtzeitig tun: Erst nach zwei Spritzen baut der Körper einen Schutz vor den durch Zecken übertragenen Viren auf, zwischen den Impfungen müssen oft mindestens drei bis vier Wochen liegen. Krankenkassen zahlen meist die Impfung, sofern man in einem Zecken-Risikogebiet wohnt oder in eines reisen will.

Pfefferspray oder Elektroschocker sind nicht nötig. In Deutschland ist es sehr unwahrscheinlich, dass ein Tier einen Wanderer attackiert. „Bei Kühen und den meisten anderen Tieren reicht es völlig, ausreichend Abstand zu halten. Um Tiere mit Jungtieren sollte man zur Sicherheit einen Bogen machen“, sagt Wabel.

 

Quelle: Julian Wolff, Welt – Print

Von Gery

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